Ein aktuelles Urteil des LG Arnsberg dürfte das Leben von Amazon-Händlern, die sich an bereits bestehende Angebote „anhängen“, weiter erschweren. Die Entscheidung befasst sich mit der Frage, ob ein Produktbild, das mehr als den Lieferumfang anzeigt, Verbraucher täuscht und deshalb wettbewerbswidrig ist, obwohl der Händler angibt, welche Komponenten im Preis enthalten bzw. nicht enthalten sind Die Antwort der Richter: Ja!
Update 21.08.2015: OLG Hamm bestätigt die Entscheidung
Mit Urteil vom 04.08.2015 hat das Oberlandesgericht (OLG) Hamm die Entscheidung des LG Arnsberg bestätigt (AZ: I-4 U 66/15). Auch die Richter der zweiten Instanz waren der Auffassung, dass Produktbildern im Internet eine maßgebliche Bedeutung bzgl. des Lieferumfangs zu kommen. Sind diese irreführend, weil sie mehr zeigen, als tatsächlich vom Angebot umfasst ist, muss der Verkäufer den Lieferumfang konkretisieren. Entweder, indem er einen Hinweistext in unmittelbarer Nähe zum Bild platziert oder auf diesen mittels Sternchensymbol verweist. Das Symbol muss dann Teil des Blickfangs sein.
Kein Rechtsmissbrauch
Die Richter betonten zudem, dass ein Rechtsmissbrauch seitens des Klägers, weil er gegen die Amazon-Marketplace-Händler und nicht gegen den Plattformbetreiber selbst vorgegangen ist, nicht vorliegt. Während die Einzelhändler meist als „Täter“ zu qualifizieren sind, dürfte Amazon lediglich „Teilnehmer“ sein. Auch wenn die Marketplace-Händler keinen Einfluss auf die technische Gestaltung und damit die Darstellung ihrer Angebote haben, werden sie durch die Gerichte dennoch regelmäßig in die Pflicht genommen.
Die Vorinstanz: Entscheidung des LG Arnsberg
Der Fall betraf einen Verkäufer von Sonnenschirmen. Dieser hatte sich an ein bereits bestehendes Amazon-Angebot angehängt. Amazons Grundsatz, dass es für jeden Artikel mit derselben EAN bzw. GTIN nur eine Produktseite gibt, wurde dem Betroffenen zum Verhängnis. Denn das ausschlaggebende Produktbild und die Artikelbeschreibung stammen vom Erstersteller und können von nachfolgenden Anbietern nicht verändert werden.
Was war passiert?
Das Produktbild zeigte den angebotenen Sonnenschirm samt Ständer und Betonplatten, die den Schirmständer stabilisieren sollten. Der betroffene Händler verkaufte aber lediglich Schirm und Ständer, nicht auch die Betonplatten. Das ging aus der Artikelbeschreibung, die sich neben dem Foto befand, allerdings nicht hervor (möglicherweise deshalb, weil der Erstersteller die Platten mitlieferte und eine Klarstellung daher nicht notwendig war). Der Nachfolger konkretisierte sein eigenes Angebot erst innerhalb der detaillierten Produktbeschreibung und wies darauf hin, dass die Betonplatten nicht im Preis enthalten sind.
Schnelligkeit des Internets macht Verbraucher unaufmerksam
Für einen seiner Konkurrenten war das jedoch nicht ausreichend. Er sah in der Angebotsgestaltung eine Irreführung des Verbrauchers, der auf diese Weise über den Lieferumfang getäuscht würde. Das Landgericht (LG) Arnsberg gab ihm mit Urteil vom 05.03.2015 (AZ: 8 O 10/15) Recht. Die Richter sind der Ansicht, dass Verbraucher im Rahmen von Online-Einkäufen auf Grund der Schnelligkeit des Internets Angebotsinhalte nur flüchtig lesen oder zur Kenntnis nehmen. Deshalb kann ein Produktfoto, das als Blickfang dient, Verbraucher täuschen, wenn die abgebildeten Komponenten nicht vollständig im Lieferumfang enthalten sind.
Erkennbarkeit für den Verbraucher ist unerheblich
Dass ein „reflektierender Verbraucher“ erkennen kann, dass auf Grund des Kaufpreises im konkreten Fall die Betonplatten nicht enthalten sein können, sei unerheblich, so das LG Arnsberg. Denn auf einen solchen „reflektierenden Verbraucher“ komme es für die Anwendung der entscheidenden Regelung des § 5 Abs. 1 Satz 2 UWG (Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb) nicht an. Diesbezüglich ist nur erheblich, ob die Darstellung überhaupt „zur Täuschung geeignet“ ist. Das sei dann der Fall, wenn auf einem Produktfoto Komponenten abgebildet sind, die tatsächlich nicht mitgeliefert werden.
Hinweis auf tatsächlichen Lieferumfang an anderer Stelle genügt – offenbar – nicht
Darauf, dass ein Hinweis auf den konkreten Lieferumfang seitens des Abgemahnten weiter unten, innerhalb der detaillierten Produktbeschreibung, noch erfolgte, gingen die Richter in ihrer Entscheidung nicht weiter ein. Sie betonten aber, dass es dem betreffenden Händler durchaus zumutbar ist, von einem weiteren Verkauf seiner Artikel über Amazon abzusehen, wenn der Plattformbetreiber einen rechtskonformen Verkauf nicht zulässt.
Es bleibt also bei der bereits bekannten Rechtsprechung, dass Händler auch für Verstöße von Amazon haftbar gemacht werden können.
Fazit
Für Amazon-Händler bedeutet die Entscheidung, dass sie sich nur dann an bestehende Angebote anhängen können, wenn das vom Erstersteller gewählte Produktbild auch den eigenen Lieferumfang wiedergibt. Andernfalls drohen Abmahnungen, selbst wenn eine Klarstellung seitens des anhängenden Verkäufers später erfolgt. Dass Amazon eine andere Darstellung nicht zulässt, ist für den Ausgang eines etwaigen Gerichtsverfahrens unerheblich. Schließlich ist der Verkäufer allein deshalb zur Verantwortung zu ziehen, weil er den Marktplatz als Vertriebsweg nutzt.
Zu beachten ist noch, dass Ärger auch vom Käufer droht
Amazon-Händler müssen aber nicht nur Abmahnungen fürchten, wenn das Artikelbild mehr Komponenten zeigt, als tatsächlich geliefert werden, sondern auch Ärger mit dem Kunden. Denn dieser kann seine gesetzlichen Gewährleistungsrechte geltend machen, wenn die Kaufsache nicht wie vertraglich vereinbart geliefert wird. Nach Ansicht des Bundesgerichtshofs (BGH – Urteil vom 12.01.2011, AZ: VIII ZR 346/09) ist ein Produktfoto für den Kaufvertrag genauso bindend wie die Artikelbeschreibung in Textform. Fehlen Bestandteile der abgebildeten Ware, ist sie mangelhaft im Sinne des Gesetzes (§ 434 BGB).