In einem Gerichtsverfahren ist für den Erfolg einer Klage entscheidend, dass Behauptungen bewiesen werden können. Beispielsweise muss der Verkäufer, der klagweise seinen Warenkaufpreis vom Käufer fordert, beweisen, dass dieser die Ware erhalten und dennoch die Rechnung nicht beglichen hat. Das Gericht muss also davon überzeugt werden, dass es stimmt, was behauptet wird. Seine Überzeugung erlangt der Richter durch die Beweiswürdigung. D.h., er beurteilt die Beweise, die ihm vorgelegt werden nach ihrer Glaubhaftigkeit und Überzeugungskraft und kommt auf Grund dessen zu seinem Urteil. Konnte das Gericht mit dem eingesetzten Beweismittel überzeugt werden (z.B. durch die Vorlage einer Empfangsbestätigung), steht die Tatsache (dass der Käufer die Ware erhalten hat) für den Prozess fest. Bleiben dem Gericht Zweifel, ist der Beweis nicht erbracht. Die Tatsache steht dann nicht fest und die Klage auf Kaufpreiszahlung scheitert. Denn der Verkäufer hat nicht nachgewiesen, dass der Käufer die Ware erhalten hat und deshalb einen Anspruch auf Zahlung überhaupt besteht.
Diese Zweifel gehen folglich zu Lasten desjenigen, der für den Nachweis verantwortlich war. Er verliert dann (meist) den Prozess.
Damit eine Tatsache als bewiesen eingestuft werden kann, muss der Richter zur „vollen persönlichen Überzeugung“ gelangen. Diesbezüglich ist er nicht an bestimmte Beweisregeln gebunden, sondern nur an die „Gesetze der Denklogik und an die auf Erfahrung gegründete Wahrscheinlichkeit“. Eine überwiegende Wahrscheinlichkeit, dass die Behauptung zutrifft, genügt allerdings nicht.
Nur in Ausnahmefällen ist ein geringerer Überzeugungsgrad ausreichend. So beim sog. Anscheinsbeweis (insbesondere bei der Arzthaftung und Verkehrsunfällen), wo es genügt, einen typischen Geschehensablauf nachzuweisen, bei dem es erfahrungsgemäß regelmäßig zu der behaupteten Tatsache kommt. Die Tatsache selbst muss in diesen Fällen nicht bewiesen werden. Hauptanwendungsfall sind Verkehrsunfälle, bei denen verschiedene Behauptungen einfach nicht beweisen werden können. Beispielsweise, dass der Hintermann einen zu geringen Abstand zum Vordermann eingehalten hat. Dass das der Fall war wird aber angenommen, wenn der Vordermann (meist der Kläger, der seinen Schaden ersetzt haben will) nachweisen kann, dass eine normale Verkehrslage vorgelegen hat und keine außergewöhnlichen Ereignisse eingetreten sind, die außer einem zu geringen Abstand zum Unfall geführt haben könnten. Nach den Erfahrungssätzen im Verkehrsbereich kann es dann nur auf Grund zu geringen Abstandes zum Auffahren gekommen sein.
Noch weiter herabgesetzt ist das Maß der erforderlichen Überzeugung seitens des Richters innerhalb einstweiliger Verfügungen (die oftmals im Zusammenhang mit Abmahnungen ergehen). Dort genügt es, die Tatsache „glaubhaft“ zu machen. Eine „überwiegende Wahrscheinlichkeit“, dass die behauptete Tatsache vorliegt, reicht hier also aus. Begründet wird dieses herabgesetzte Beweismaß mit der Eilbedürftigkeit dieser Verfahren. Müssten erst Zeugen vernommen oder Gutachten eingeholt werden, um den erforderlichen Überzeugungsgrad beim Gericht zu erreichen, kommt eine Entscheidung meist zu spät.
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