Zum 12.3.2015 hat Amazon neue Rückgaberichtlinien für seine Marktplatzhändler eingeführt. Verkäufer sind danach verpflichtet, ihre Rückabwicklungsprozesse anzupassen. Für Waren, die die Marketplace-Händler selbst versenden, müssen sie ihren Kunden entweder den kostenlosen Rückversand an den Firmensitz anbieten oder für jede Marketplace-Seite, bei der Produkte angeboten werden, eine Rücksendeadresse in dem Land dieser Marketplace-Seite angeben. Amazon schränkt dadurch die gesetzlichen Vorgaben zum Widerrufsrechts zu Lasten der Unternehmer ein.
Wer ist betroffen?
Von den Neuregelungen sind alle Amazon-Händler betroffen, die ihre Waren aus Staaten außerhalb des Landes der Marketplace-Seite versenden. Das sind Verkäufer, die für den Vertrieb mehrere Amazon-Plattformen nutzen (z.B. „amazon.de“ und „amazon.c.o.uk“) aber nur einen Firmensitz haben, von dem aus die Produkte verschickt werden (z.B. in Deutschland). Aber auch solche, die Ihre Waren über nur eine Marktplatzseite verkaufen (z.B. „amazon.es“), die Geschäftsadresse aber nicht im Land dieser Webseite liegt (sondern etwa in Frankreich).
Ein Beispiel:
Ein deutscher Amazon-Händler verkauft seine Artikel nicht nur über „amazon.de“ sondern auch über „amazon.c.o.uk“, versendet sie aber ausschließlich aus Deutschland. Oder er verkauft ausschließlich auf „amazon.c.o.uk“ versendet aber ebenfalls aus Deutschland. In beiden Fällen muss der Unternehmer die neuen Vorgaben umsetzen.
Nicht betroffen sind beispielsweise deutsche Amazon-Händler, die ihre Waren ausschließlich auf „amazon.de“ verkaufen und aus Deutschland versenden.
Was ist zu tun?
Um den Verbraucher vor hohen Rücksendekosten ins Ausland zu schützen, verpflichtet Amazon die betroffenen Händler, ihren Rückabwicklungsprozess anzupassen. Dazu haben Sie verschiedene Möglichkeiten.
Sofern sie den Warenversand selbst organisieren (und nicht den „Versand durch Amazon“ nutzen), können sie entweder in jedem Land, in dem sie eine Marketplace-Seite nutzen, eine Rücksendeadresse bereitstellen oder die Rücksendekosten an die ausländische Rücksendestelle übernehmen.
Ein Beispiel:
Der deutsche Amazon-Händler, der seine Waren sowohl über „amazon.de“ als auch über „amazon.c.o.uk“ vertreibt, die Rücksendung bisher aber über seinen Firmensitz in Deutschland organisiert hat, muss entweder eine Rücksendestelle im Vereinigten Königreich etablieren oder die Kosten der Rücksendung aus England an seine deutsche Geschäftsstelle tragen.
Alternativ können die Verkäufer den Versand künftig auch über Amazon abwickeln lassen. Denn die neuen Vorgaben betreffen den „Versand durch Amazon“ nur in geringem Umfang.
Handlungsbedarf: Anpassung der Widerrufsbelehrung
Die betroffenen Amazon-Verkäufer müssen sich zunächst Gedanken darüber machen, welche der möglichen Varianten für sie am günstigsten ist; die Vorhaltung nationaler Rücksendestellen, die Kostenübernahme oder die Nutzung von „Versand durch Amazon“. Die Entscheidung wird sich in jedem Fall auf die Widerrufsbelehrung auswirken, die im Fernabsatz zwangswiese zur Verfügung gestellt werden muss. Denn in dieser muss zum einen geregelt werden, wohin der Verbraucher die Artikel senden soll, wenn er sein Widerrufsrecht ausübt (nationale Rücksendeadresse oder Logistikzentrum von Amazon), und zum anderen, wer die Kosten dieses Rückversands trägt.
Vorgehen bei Vorhaltung nationaler Rücksendestellen
Entscheidet sich der Händler dafür, nationale Rücksendestellen für jedes Land, dessen Marketplace-Seite er nutzt (Deutschland, England, Spanien, Frankreich, Italien) bereitzustellen, muss in die Widerrufsbelehrung des entsprechenden Landes die Retourenanschrift eingefügt werden. Gleiches gilt beim „Versand durch Amazon“. Zu beachten ist, dass in der Widerrufsbelehrung auch die Adresse anzugeben ist, an die der Verbraucher die Widerrufserklärung – etwa als Brief – richten soll. Im Zweifel müssen in den Text zwei unterschiedliche Anschriften aufgenommen werden.
Ein Beispiel:
Der deutsche Händler, der auch über amazon.c.o.uk verkauft, richtet eine Rücksendestelle im Vereinigten Königreich ein. Der Widerruf soll – sofern er als Brief erfolgt – aber an den deutschen Firmensitz adressiert werden. In der Widerrufsbelehrung muss der Verbraucher also darüber informiert werden, dass er die Widerrufserklärung nach Deutschland schickt, die Waren, die er nicht behalten will, aber an eine Adresse in England.
Vorgehen bei Kostenübernahme
Kann oder will der Amazon-Händler keine lokalen Anlaufstellen zur Verfügung stellen und auch den Versand nicht über den Plattformbetreiber abwickeln, ist er gezwungen, die Rücksendekosten zu tragen. Ein diesbezüglicher Hinweis muss dann in der Widerrufsbelehrung erscheinen (z.B.: „Wir tragen die Kosten der Rücksendung der Waren.“).
Probleme bei der Nutzung der gesetzlichen Muster-Widerrufsbelehrung?
Die Nutzung des gesetzlichen Musters für die Widerrufsbelehrung sollte trotz der neuen Vorgaben seitens Amazon und des daraus resultierenden Handlungsbedarfs keine zusätzlichen Probleme verursachen. Da die Widerrufsbelehrung in der Sprache des Landes zur Verfügung gestellt werden muss, in dem die Waren verkauft werden, muss der betroffene Amazon-Händler zwangsläufig mehrere Texte erstellen (nämlich in unterschiedlichen Sprachen).
Unterschiedliche Adressangaben im Mustertext möglich
Das gesetzliche Muster, das europaweit gilt, sieht in seinen Gestaltungshinweisen vor, dass sowohl die Kontaktdaten für die Widerrufserklärung als auch die Adresse, an die die Waren zurückgeschickt werden sollen, in den Belehrungstext einzufügen sind. Entscheidet sich der Unternehmer also für nationale Rücksendestellen, kann er für die Widerrufserklärung den (ausländischen) Firmensitz und für die Warenrücksendung die lokale Rücksendeanschrift einfügen.
Inhaltlich unterschiedliche Texte bei Kostenübernahme
Entscheidet er sich hingegen dazu, keine gesonderten Rücksendestellen einzurichten, muss er zumindest in die Widerrufsbelehrungen für die Länder außerhalb seines Firmensitzes den Passus aufnehmen, dass er die Rücksendekosten übernimmt. Innerhalb der Widerrufsbelehrung für sein Sitzland kann er die Rücksendekosten auch weiterhin auf seine Kunden abwälzen. Denn für diese gibt es eine „lokale Rücksendeanschrift“, den Firmensitz.
Ein Beispiel:
Unser deutscher Amazon-Händler, der auch „amazon.c.o.uk“ nutzt, richtet in England eine Rücksendestelle ein. In der englischen Widerrufsbelehrung muss er dann die Anschrift dieser Anlaufstelle einfügen und kann die Rücksendekosten seinen Kunden auferlegen. In der deutschen Widerrufsbelehrung gibt er seinen Firmensitz als Retourenanschrift an und kann die Rücksendekosten ebenfalls abwälzen.
Richtet er keine Rücksendestelle in England ein, wird sowohl in der englischen als auch in der deutschen Widerrufsbelehrung der deutsche Firmensitz als Retourenadresse eingefügt. Im englischen Belehrungstext muss der Händler seine Kunden informieren, dass er, der Verkäufer, die Rücksendekosten trägt. Im deutschen Text kann er auch weiterhin die Rücksendekosten auf den Verbraucher abwälzen.
Darf Amazon das überhaupt?
Solange sich Amazon an die Mindestanforderungen des Verbraucherschutzrechts hält, darf es Regelungen für den Rückversand treffen. Die neue Richtlinie erweitert den Rechtsbereich der Verbraucher, die über Amazon Waren kaufen, da diese – entgegen der gesetzlichen Regelung – in bestimmten Fällen nicht mehr die Kosten der Rücksendung tragen müssen. Solche Bestimmungen sind rechtmäßig. Der Plattformbetreiber kann seine Händler also zur Umsetzung der Vorgaben verpflichten.
Was passiert, wenn man sich nicht dran hält?
Die gute Nachricht ist, dass derjenige, der sich nicht an die neuen Vorgaben hält, keine Abmahnungen durch Konkurrenten oder Verbände fürchten muss. Denn eine Gesetzesverletzung liegt nicht vor. Das macht es für den Marketplace-Händler allerdings nicht besser. Denn ihm drohen vertragliche Sanktionen durch Amazon. Der Plattformbetreiber hat in seiner Information zu der Änderung bereits angemerkt, dass Verkäufer, die die Richtlinie nicht umsetzen, ihre Verkaufsberechtigung verlieren können.
Was hat Amazon davon?
Die neue Richtlinie dient zunächst dazu, den Verbraucher vor hohen Kosten zu schützen. Das macht den Marktplatz für Kunden attraktiver und steigert die Umsätze des Betreibers. Darüber hinaus hat er durch die Vorgaben die Möglichkeit seine Verkäufer als Kunden an Drittanbieter zu vermitteln, die einen nationalen Rückversand ermöglichen. So hat Amazon in den Richtlinien bereits Unternehmen genannt, die der Händler zur Einrichtung lokaler Retourenstellen nutzen kann.
Darüber hinaus könnten auf Grund der neuen Vorgaben einige Verkäufer dazu übergehen, den Versand nicht mehr selbst zu organisieren, sondern Amazon damit zu betrauen. Dadurch würde das Unternehmen weitere Umsätze in Form der Gebühren, die es für den „Versand durch Amazon“ verlangt, generieren. Zusätzlich kann es seinen „Prime-Service“ aufwerten und ausweiten, wenn noch mehr Produkte dafür zur Verfügung stehen.
Die Marketplace-Händler haben kaum Chancen sich gegen diese Neuerungen zu wehren, wenn sie den Verkauf über Amazon nicht einstellen wollen.