Mit Stichtag zum 01.Januar 2022 wird das deutsche Kaufrecht reformiert. Damit wird die neue EU-Richtlinie 2019/771 in deutsches Recht umgesetzt.
Was sich dadurch ändert und wie sich dies auf Onlinehändler auswirkt, erfahren Sie im folgenden Beitrag.

Hier die wichtigsten Änderungen in Kurzform:

  1. Erweiterung des Sachmangelbegriffs
    Der Sachmangel wird geändert und konkretisiert. Wichtigste Änderung: Zukünftig kann eine Sache auch mangelhaft sein, wenn sie zwar die vereinbarte Beschaffenheit hat, aber sich nicht für eine gewöhnliche Verwendung eignet.
  2. Erweiterung der Beweislastumkehr
    Statt wie bisher nur ein halbes Jahr wird nun ein ganzes Jahr lang angenommen, dass ein Sachmangel bereits vor der Übergabe der Sache vorlag. Der Händler ist in diesem Zeitraum daher beweispflichtig, das ein Schaden durch den Käufer verursacht wurde.
  3. Gewährleistungsansprüche auch bei Mangelkenntnis
    Anders als bisher spielt es grundsätzlich keine Rolle, dass ein Verbraucher bei Kauf von Mängeln der Sache wusste, unter normalen Umständen kann er auch dann Mangelansprüche geltend machen.
  4. Vereinbarung über abweichende Beschaffenheit
    Ausnahme zu 3: Der Verbraucher hat in eine abweichende Beschaffenheit (z.B. B-Ware) explizit eingewilligt. Hierfür bestehen deutlich höhere Hürden als bisher.
  5. Digitaler Sachmangel
    Ganz neu: der digitale Sachmangel. Für Geräte mit digitalen Elementen (Smartphone, Smartwatch etc.) gilt nun eine Aktualisierungspflicht für bestimmte Zeiträume.
  6. Änderungen an Nacherfüllung, Schadensersatz und Rücktritt
    Auch an den einzelnen Gewährleistungsrechten gibt es diverse Änderungen die meist zu Verbesserungen für den Verbraucher führen.
  7. Änderungen an der Verjährung
    Für Gewährleistungsfälle die erst kurz vorm Ende der Gewährleistungsfrist gemeldet werden, gilt zukünftig, dass diese über das Ende der Frist hinaus erst zwei Monate nach Meldung durch den Verbraucher verjähren.
  8. Änderungen an Garantieerklärungen
    Auch bei Garantieerklärungen kommt es zu einigen Änderungen.

Änderung des Sachmangelbegriffs

In der Praxis kommt es recht häufig zu Streitpunkten, wenn sich ein Kunde an einen Händler wendet, weil die Ware seiner Meinung nach mangelhaft ist. Hier gilt es dann oft zu klären, ob hier wirklich ein solcher Mangel vorliegt.

Dies regelt § 434 BGB.

Aktuell heißt es dort, eine Sache sei frei von Sachmängeln, wenn sie bei Gefahrübergang sich für die vertraglich vorausgesetzte Verwendung eignet oder sich für die gewöhnliche Verwendung eignet, und eine erwartbare übliche Beschaffenheit aufweist.

Durch die Reform ist eine Ware zukünftig mangelfrei, wenn diese den subjektiven und objektiven Anforderungen und den Montageanforderungen entspricht.

Eine Ware ist danach subjektiv mangelfrei, wenn sie

  • die vereinbarte Beschaffenheit hat
  • sich für die dem Vertrag vorausgesetzte Verwendung eignet
  • mit dem im Vertrag vereinbarten Zubehör und mit Anleitungen, einschließlich Montage- und Installationsanleitungen, übergeben wird

Zur Beschaffenheit gehören dabei die Merkmale von Art, Menge, Qualität, Funktionalität, Kompatibilität, Interoperabilität und sonstige Merkmale der Sache, für die die Parteien Anforderungen im Vertrag vereinbart haben.

Eine Ware ist objektiv mangelfrei, wenn diese

  • sich für die gewöhnliche Verwendung eignet sowie
  • eine übliche erwartbare Beschaffenheit aufweist, wobei hierfür die Art der Sache sowie alle öffentlichen Äußerungen, sowohl von Verkäufer, Hersteller oder anderen Mitgliedern der Vertragskette eine Rolle spielen
  • die Beschaffenheit ggfs. einer Probe oder eines Musters entspricht die dem Käufer vor dem Kauf zur Verfügung gestellt wurde
  • mit Zubehör einschließlich Verpackung, Montage- oder Installationsanleitungen sowie anderen Anleitungen übergeben wird, die der Käufer erwarten kann

Für die übliche Beschaffenheit wird dabei Menge, Qualität und sonstige Merkmale einer Sache, einschließlich ihrer Haltbarkeit, Funktionalität, Kompatibilität und Sicherheit herangezogen.

Der Verkäufer ist an öffentliche Äußerungen Dritter nicht gebunden,

  • sofern er sie nicht kannte und auch nicht kennen konnte,
  • sofern diese bei Kauf berichtigt waren oder sofern sie die Kaufentscheidung nicht beeinflussen konnten.

Schlussendlich entspricht die Sache den Montageanforderungen,

  • sofern die Montage sachgemäß durchgeführt wurde
  • die Montage unsachgemäß durchgeführt wurde, dies jedoch weder auf einer unsachgemäßen Montage durch den Verkäufer noch an einer mangelhaften Anleitung liege

Dem Sachmangel steht es gleich, wenn der Verkäufer eine andere Sache liefert.

Zwischenfazit:

Mit dieser Änderung wird der Mängelbegriff deutlich erweitert und konkretisiert.

Die Kaufsache muss nun sowohl individuellen Vereinbarungen zur Beschaffenheit als auch objektiv verwendet werden können bzw. eine übliche Beschaffenheit aufweisen.

Damit wäre eine Sache zukünftig mangelhaft, wenn sie zwar der vereinbarten Beschaffenheit entspricht, aber sich nicht für eine gewöhnliche Verwendung eignet.

Neu ist auch, dass Proben oder Muster mit der Kaufsache übereinstimmen müssen, sofern diese im Vorfeld dem Käufer übergeben wurden.

Ebenfalls ausgeweitet werden die Regeln zu öffentlichen Äußerungen, welche Teil der vereinbarten Beschaffenheit sind. Waren werbliche Äußerungen bisher nur von Verkäufer, Hersteller und seinen Gehilfen relevant, betrifft dies nun explizit alle vorhergehenden Glieder der Vertragskette.

Erweiterung der Beweislastumkehr

In der Praxis sehr relevant ist das Prinzip der Beweislastumkehr.
Diese regelt in § 477 BGB für B2C-Käufe bisher, dass für einen Mangel, welcher ein halbes Jahr nach Kauf auftritt, vermutet wird, dass dieser bereits bei Gefahrübergang vorlag. Dies gilt jedoch nicht, wenn diese Vermutung mit der Art der Ware und des Mangels unvereinbar wäre.

In diesem Zeitraum ist daher der Verkäufer verpflichtet, nachzuweisen, dass die Ware bei Gefahrübergang mangelfrei war.

Dieser Zeitraum wird durch die Kaufrechts-Reform nun durch den Gesetzgeber auf ein Jahr erweitert.

Damit sind Verkäufer deutlich länger als bisher beweislastpflichtig, dass der Mangel durch unsachgemäßen Gebrauch oder andere durch den Käufer verursachte Schäden entstanden ist.

Gewährleistungsansprüche bei Kenntnis über den Mangel

442 (1) BGB bestimmt, dass ein Käufer keinen Gewährleistungsanspruch hat, wenn dieser den Mangel bei Kauf kennt oder kennen musste, es sei denn, der Verkäufer hätte den Mangel arglistig verschwiegen oder eine Garantie übernommen.

Diese Regelung findet zum 01.01.2022 auf Verträge mit Verbrauchern keine Anwendung mehr!
Ein Käufer kann daher grundsätzlich wissentlich eine mangelhafte Sache erwerben und im Anschluss dennoch Nacherfüllung oder andere Sachmängelrechte geltend machen.

Vereinbarungen über Abweichung der Beschaffenheit

Um mit Verbrauchern weiterhin eine andere als die übliche Beschaffenheit bei Kauf zu vereinbaren, gelten zukünftig deutlich höhere Hürden.

Wenn ein Händler beispielsweise leicht beschädigte Ware (B-Ware) verkaufen und sicherstellen will, dass der Verbraucher für diese Beschädigungen keinen Sachmangelanspruch hat, so muss er

  • den Verbraucher vor seiner Bestellung eigens davon in Kenntnis setzen, dass eines oder mehrere Merkmale von den objektiven Anforderungen der Ware abweichen und
  • dies im Kaufvertrag ausdrücklich und gesondert vereinbaren

Das bedeutet, dass dies im Bestellvorgang hervorgehoben dargestellt sein muss. Dem Verbraucher muss deutlich bewusst gemacht werden, dass hier etwas vom üblichen Zustand abweicht.
Dies kann nicht in den AGB geregelt werden, es ist davon auszugehen, dass hierfür ein nicht vorangekreuztes Kästchen benötigt wird, in dem der Verbraucher seine Einwilligung erklärt, eine B-Ware zu erhalten.

Komplett neu: Der digitale Sachmangel

Vollständig neu wird zum 01.01.2022 der digitale Sachmangelbegriff eingeführt.

Dies betrifft alle Waren mit digitalen Elementen.
Betroffen ist daher nicht nur Software und andere klassische digitale Inhalte, sondern auch Produkte wie Smartphones, Smartwatches, Smart-TVs, PCs, Laptops, etc..

Neu eingeführt wird, zusätzlich zu den oben beschriebenen Voraussetzungen, dass eine Sache mangelfrei ist, eine Aktualisierungspflicht für diese Produkte.

Somit müssen Smartphones & Co subjektiv für den Zeitraum der vereinbart wird auf dem neuesten Stand gehalten werden, objektiv für einen Zeitraum, den der Verbraucher bei der jeweiligen Sache erwarten kann.
Gemeint sind hier in erster Linie Updates, welche die Funktionalität und die Sicherheit des Produktes sicherstellen, nicht notwendiger Weise solche, welche das Produkt weiter verbessern.

Diese Zeiträume sind daher aktuell nicht näher bestimmt und werden erst von der Rechtsprechung zu definieren sein. Es gilt jedoch in jedem Fall ein Mindestzeitraum von zwei Jahren ab Gefahrübergang.

Dies ist insbesondere wichtig, da hier das Kaufdatum relevant ist.
Zwar ist im Normalfall stets der Hersteller für das Bereitstellen von Updates zuständig, erfahrungsgemäß unterstützen diese Smartphones und andere Produkte nur für einen begrenzten Zeitraum. Als Händler gilt es daher stets zu prüfen, ob etwa für ein verkauftes Smartphone sichergestellt ist, dass für dieses nach dem Kauf noch für weitere zwei Jahre Updates zur Verfügung gestellt werden.
Ansonsten könnte für ein Produkt auch ein kürzerer Zeitraum für Aktualisierungen vereinbart werden, oder auch, dass für ein Produkt keine Aktualisierungen erscheinen, jedoch nur unter den Vorrausetzungen einer Vereinbarung über abweichende Beschaffenheit (s.o.).

Gleichzeitig entfällt zukünftig die Begrenzung der Verjährungsfrist von fünf Jahren für den Lieferantenregress. Ein Händler kann sich daher auch danach an den Hersteller wenden und Regress fordern, so er Mängelgewährleistungsansprüche wegen etwa fehlenden Aktualisierungen erfüllen muss.

Änderungen an der Nacherfüllung

Die Nacherfüllung ist das primäre Sachmangelrecht.
Danach kann der Käufer nach seiner Wahl grundsätzlich die Beseitigung des Mangels (also eine Reparatur) oder die Lieferung einer mangelfreien Sache verlangen.

Neu ist hier: der Käufer muss die Sache dem Verkäufer zum Zweck der Nacherfüllung zur Verfügung stellen. Es ist damit nunmehr klargeregelt, dass der Käufer die Sache dem Händler übergeben oder zuschicken muss.

Gleichzeitig wird nun klar geregelt, dass der Verkäufer die ersetzende Sache auf seine Kosten zurücknehmen muss, wie meist schon Praxis muss ein Onlinehändler dem Käufer daher einen kostenfreien Rückversand ermöglichen, etwa durch entsprechende Packlabels durch gängige Versandunternehmen. Gegenüber Verbrauchern kann hiervon auch nicht abgewichen werden.

Allerdings enthält das Gesetz zukünftig einen eigenen Lieferantenregressanspruch. Der Händler hat für die Aufwendungen, die ihm durch Geltendmachung von Sachmängeln entstehen einen Ersatzanspruch beim Hersteller bzw. Lieferanten, soweit diese bereits bei Gefahrübergang zum Händler existierten.

Änderungen bei Rücktritt und Schadensersatz

Auch beim Rücktritt, einem der anderen zwei Sachmängelrechte gibt es Änderungen.

Aktuell muss der Verbraucher im Normalfall dem Verkäufer zunächst eine angemessene Frist setzen, bevor er vom Verkauf zurücktreten kann, es sei denn der Händler hätte vorher die Nacherfüllung abgelehnt oder die Nacherfüllung wurde (meist) zweimal erfolglos versucht.

Zukünftig ist die Fristsetzung entbehrlich falls:

  • Der Unternehmer trotz Ablauf einer angemessenen Frist, ab dem Zeitpunkt zu welchem er durch den Verbraucher über den Mangel unterrichtet wurde keine Nacherfüllung vorgenommen hat
  • Sich trotz der Nacherfüllung ein Mangel zeigt
  • Der Mangel so schwerwiegend ist das ein sofortiger Rücktritt gerechtfertigt ist
  • Der Verkäufer die Nacherfüllung verweigert
  • Oder es nach den Umständen offensichtlich ist, dass der Unternehmer die Nacherfüllung nicht ordnungsgemäß erfüllen wird

Diese Regelungen gelten in gleicher Weise, wenn der Verbraucher statt einem Rücktritt einen Schadensersatz verlangt

Anders als bisher ist ein Rücktritt oder Schadensersatz daher schon bei nur einer nicht erfolgten Nacherfüllung ohne Fristsetzung möglich.
Auch muss der Verbraucher im Normalfall dem Verkäufer nicht mehr von sich aus explizit eine Frist setzen, es reicht, dass er dem Händler den Sachmangel gemeldet hat, sofern dieser von sich aus nicht in einem angemessenen Zeitraum reagiert hat, erlaubt dies den fristlosen Rücktritt.

Sofern der Verbraucher wirksam zurücktritt, muss er die mangelhafte Ware auf Kosten des Händlers zurückgeben bzw. zurücksenden.
Der Händler ist hierbei verpflichtet, den Kaufpreis bereits zu erstatten, sobald der Verbraucher den Rückversand der Ware nachweist. Sobald dieser daher dem Verkäufer einen Scan des Einlieferungsbelegs zukommen lässt muss dieser den Kaufbetrag zurücküberweisen.

Änderung an der Verjährung

Aktuell verjähren die Sachmangelansprüche in der Regel zwei Jahren nach Kauf der Sache.
Schwierig ist dies insbesondere am Ende der Frist, wenn die zwei Jahre fast um sind, verbleiben dem Verbraucher nur wenige Tage oder sogar Stunden um seinen Sachmangel geltend zu machen, auch hätte der Verkäufer theoretisch die Möglichkeit, den Anspruch durch langsame Bearbeitung absichtlich verjähren zu lassen.

Um dies zu verhindern, ist es in Zukunft so, dass die Verjährung erst frühestens zwei Monate nach dem Zeitpunkt eintritt, an welchem der Verbraucher dem Händler den Sachmangel angezeigt hat.

Auch wenn der Verbraucher den Sachmangel damit nur einen Tag vor dem Ablauf von zwei Jahren beim Händler anzeigt, tritt die Verjährung damit erst zwei Monate später ein.

Änderungen an Garantieerklärungen

Die schon bisher geltenden Regeln zu Garantieerklärungen wird erweitert und konkretisiert.

So muss eine Garantieerklärung einfach und verständlich abgefasst sein.
Mindestinhalte sind:

  • Hinweis auf die gesetzlichen Mängelansprüche des Verbrauchers, die Unentgeltlichkeit dieser Rechte sowie dass diese Rechte durch die Garantie nicht eingeschränkt werden
  • Namen und Anschrift des Garantiegebers
  • Das vom Verbraucher einzuhaltende Verfahren für die Geltendmachung der Garantie
  • Nennung der Sache auf die sich die Garantie bezieht
  • Bestimmungen der Garantie

Die Garantieerklärung muss dem Verbraucher spätestens zum Zeitpunkt der Lieferung der Sache auf einem dauerhaften Datenträger zur Verfügung gestellt werden, d.h. per E-Mail zugesendet oder der Ware ausgedruckt beiliegend.

Sofern die Mindestanforderungen nicht erfüllt werden, ist die Garantieverpflichtung gegenüber dem Verbraucher für den Händler weiter bindend. Er könnte jedoch von Konkurrenten oder Verbraucherschutzvereinen eventuell für die fehlerhafte Garantie abgemahnt werden.

Geltungszeitraum

Das neue Kaufrecht tritt zum 01.01.2022 in Kraft und auch nur für alle Verträge, welche ab diesem Zeitpunkt geschlossen werden. Für alle Verträge vor diesem Datum gelten noch die aktuellen gesetzlichen Regelungen.

Fazit

Insgesamt ändert sich durch die Kaufrechtsreform insbesondere im Sachmangelbereich und in Hinblick auf Geräte mit digitalen Inhalten eine ganze Menge, Händler sind daher gut beraten, sich schon jetzt mit den Neuerungen zu befassen und interne Prozesse entsprechend abzustimmen.

Was die Rechtstexte angeht, müssen sich Kunden von Protected Shops keine Sorgen machen. Selbstverständlich werden wir die Rechtstexte vorzeitig anpassen, und unsere Kunden zu gegebenen Zeitpunkt entsprechend informieren.