Die am 21. Mai 2015 verabschiedete Richtlinie 2013/11/EU über die alternative Beilegung verbraucherrechtlicher Streitigkeiten (ADR-Richtlinie) sieht die europaweite Einführung von Schlichtungsstellen zur Beilegung von Streitigkeiten vor, welche sich zwischen Händler und Verbraucher ergeben. Begleitend sieht die gleichzeitig verabschiedete Verordnung 524/2013 über die Online-Beilegung verbraucherrechtlicher Streitigkeiten (ODR-Verordnung) die Möglichkeit vor, solche Schlichtungen über das Internet zu praktizieren.
Doch worum handelt es sich dabei, und welche Pflichten kommen dadurch auf den Onlinehändler zu? Näheres erfahren Sie in diesem Beitrag.
Was wird durch die EU-Vorschriften geregelt?
Die ADR-Richtlinie sowie die ODR-Verordnung sollen alternative Schlichtungsstellen für Streitigkeiten zwischen Verbrauchern und Unternehmer bei Kauf- und Dienstverträgen bekannter machen und für diese allgemeine Standards bestimmen.
Statt dass bei einem Konflikt zwischen Verbraucher und Unternehmer beide Parteien direkt vors Gericht ziehen soll die Alternative etabliert werden, sich bei einer unabhängigen Schlichtungsstelle um eine gemeinsame Lösung zu bemühen.
Eine solche Schlichtung soll dabei ausdrücklich auch rein auf dem Onlineweg möglich sein. Um dies zu fördern wird es eine Onlineplattform der EU geben, bei welcher sich der Verbraucher informieren kann, welche Schlichtungsstelle(n) für seinen Konflikt mit dem Unternehmer in Frage kommt. Über diese Onlineplattform soll der Verbraucher dann auch direkt ein solches Schlichtungsverfahren in die Wege leiten können, der betroffene Unternehmer wird direkt durch die Plattform kontaktiert, sollte die Schlichtung einvernehmlich versucht werden, soll dies ebenfalls durch die Plattform abgewickelt werden können.
Wurde dies auch schon in deutsches Recht umgesetzt?
Der Bundestag hat am 3.12.2015 das Verbraucherstreitbeilegungsgesetz (VSBG) verabschiedet, dieses harrt aber noch der Absegnung durch den Bundesrat und muss dann noch im Bundesgesetzblatt verkündet werden. Sein Inkrafttreten wird für das erste Quartal dieses Jahres erwartet, die Informationspflichten für Unternehmen gelten jedoch nach aktuellem Stand erst ein Jahr nach Verkündung, d.h. voraussichtlich Anfang 2017. Die ODR-Verordnung gilt direkt und muss nicht in das Recht der Mitgliedstaaten umgesetzt werden, die Informationspflichten dieser gelten ab 09.01.2016.
Ist ein Händler zur Teilnahme an einer solchen Streitschlichtung verpflichtet?
Nein. Eine solche Pflicht ergibt sich weder aus der ADR-Richtlinie noch aus dem VSBG. Der Unternehmer ist weder verpflichtet, sich auf den Wunsch des Verbrauchers eines Streitschlichtungsverfahren einzulassen, noch muss er, sofern er sich darauf einlässt, den Lösungsvorschlag der Schlichtungsstelle akzeptieren. Das Gerichtsverfahren ist im Konfliktfall sofort oder nach Durchlauf eines Schlichtungsverfahrens möglich.
Dies kann sich grundsätzlich in der Zukunft jedoch ändern, sowohl das VSBG als auch die direkt geltende ODR-Verordnung enthalten Handlungsanweisungen für Händler die zur Teilnahme verpflichtet sind. Denkbar ist also dass zukünftig solche Verpflichtungen, eventuell auch nur für einzelne Branchen, eingeführt werden. Aktuell ist dies jedoch nicht der Fall.
Gibt es neue Informationspflichten und ab wann?
Ja, sowohl die ODR-Verordnung als auch das VSBG sehen neue Informationspflichten für Onlinehändler vor.
Hier muss jedoch unterschieden werden.
Nach der ODR-Verordnung sind Online-Händler eigentlich stets verpflichtet, ab dem 09.01.2016 auf deren Webseite (dies gilt auch bei Amazon, eBay & Co) leicht zugänglich auf die oben erwähnte Onlineplattform der EU zu verlinken.
Hier gibt es allerdings ein Problem:
Die Onlineplattform der EU-Kommission ist nicht rechtzeitig fertig, sie geht erst am 09.01.2016 online und lässt sich vorraussichtlich erst ab Mitte Februar 2016 einsetzen.
Trotzdem sollte schon jetzt auf diese verlinkt werden und der Umstand, dass diese noch nicht aktiv ist klar gemacht werden. Bei den Protected Shops Rechtstexten ist dies bereits umgesetzt.
So er zu einer Teilnahme an einem Schlichtungsverfahren verpflichtet ist, muss er dies darstellen und die Schlichtungsstelle(n) nennen und verlinken.
Das VSBG sieht zusätzliche Informationspflichten vor. Diese gelten jedoch voraussichtlich erst Anfang 2017, das genaue Datum kann noch nicht bestimmt werden, da dies von der noch ausstehenden Verkündung des der Zustimmung des Bundesrat bedürftigen Gesetzes abhängt.
Danach muss ein Onlinehändler auf seiner Webseite darauf hinweisen, ob er verpflichtet oder bereit ist, an einer Schlichtungsstelle teilzunehmen und diese zu nennen. Im Gegensatz zur Richtlinie muss er also explizit erklären, so er nicht einer Schlichtung teilnehmen will. Hierzu gibt es jedoch eine wichtige Einschränkung: Sofern das Unternehmen zum 31.12. des Vorjahres 10 oder weniger Mitarbeiter hatte, entfällt diese Pflicht.
Im Falle einer Streitigkeit mit dem Verbraucher welche sich nicht einvernehmlich lösen lässt, muss der Händler wiederum ab Anfang 2017 im jeden Fall den Verbraucher eine Verbraucherschlichtungsstelle mit Anschrift und Webseite nennen und mitteilen, ob er verpflichtet oder bereit ist, an einer solchen teilzunehmen. Ist er einer oder mehreren Stellen verpflichtet oder zu einer Schlichtung durch diese bereit muss er diese angeben.
Was kostet ein Schlichtungsverfahren und wer bezahlt das?
Der Grundgedanke der ADR-Richtlinie besagt, dass die Streitbeilegung für den Verbraucher kostenlos sein soll, sollten doch Kosten anfallen, so sollen diese nicht über eine Schutzgebühr hinausgehen. Denkbar wäre eine Kostentragung der öffentlichen Hand oder auch eine Beteiligung von Unternehmensverbänden und Wirtschaftsverbänden, im Normalfall werden die Kosten des Verfahrens aber dem Unternehmer aufgebürdet werden.
Wie hoch diese anfallen hängt von der Schlichtungsstelle ab. Im VSBG sind bereits die Kosten für die geplanten Universalschlichtungsstellen der Bundesländer abgebildet, welche einen ersten Anhaltspunkt liefern. Danach sind folgende Kosten vorgesehen, welche ausdrücklich vom Unternehmer zu zahlen sind:
Bei einem Streitwert (d.h. im Normalfall Warenwert)
Von 100€ – Gebühr 190€
Über 100 bis einschließlich 500€ – Gebühr 250€
Über 500 bis einschließlich 2000€ – Gebühr 300€
Über 2000€ – Gebühr 380€ (wobei eine Schlichtung bei einer Landesuniversalschlichtungsstelle nur bis 5000€ möglich sein soll).
Sofern der Unternehmer den geltend gemachten Anspruch direkt akzeptiert, reduzieren sich die Kosten auf 75€. Die Universalschlichtungsstelle kann im Einzelfall eine niedrigere Gebühr bestimmen oder auf diese verzichten. Auf den Verbraucher kommen im Normalfall keine Kosten zu, es sei denn, der Antrag wäre als missbräuchlich anzusehen, in diesem Fall können ihm 30€ auferlegt werden.
Zu beachten ist, dass sofern der Lösungsvorschlag einer Schlichtung nicht von beiden Parteien akzeptiert wird, ein Gerichtsverfahren anstehen kann, für welches weitere, vom Schlichtungsverfahren unabhängige Kosten entstehen können.
Kann ein Onlinehändler auch von sich ein Schlichtungsverfahren bei einem Konflikt mit dem Verbraucher starten?
Das ist von Seiten der EU nicht explizit vorgesehen, ein Mitgliedsstaat kann dies jedoch auch anders regeln. Hiervon hat Deutschland in dem VSBG keinen Gebrauch gemacht. Im gegenseitigen Einvernehmen wäre dies sicherlich möglich.
Gelten diese Regelungen bei Streitigkeiten zwischen Unternehmen?
Nein, diese sind davon nicht erfasst.
Können Händler Verbraucher durch AGB oder auch explizite Einwilligung bei Kauf zu einer Teilnahme an einem Schlichtungsverfahren zwingen und vom Gang vor Gericht abhalten?
Nein, eine solche Vereinbarung wäre nicht für den Verbraucher bindend, sofern diese vor Eintreten der Streitigkeit getroffen wurde.
Lohnt sich ein Streitschlichtungsverfahren als Händler?
Das ist aktuell schwer abzuschätzen. Viel wird davon abhängen, wie gut das Instrument angenommen wird, und wie sich die Kostenstrukturen der Schlichtungsstellen auf dem freien Markt entwickeln.
Wenn man die schon bekannte Kostenstruktur der zukünftig geplanten Universalitätsschlichtungsstellen der Bundesländer betrachtet, leuchtet jedenfalls nicht ein, wie es sich wirtschaftlich für einen Onlinehändler lohnen soll, bei einem Warenwert von unter 100€ 190€ dafür zu zahlen, dass eine Schlichtungsstelle einen Lösungsvorschlag unterbreitet. Die 190€ wäre er los, selbst wenn die Schlichtungsstelle zu dem Ergebnis kommt, das er alles richtig gemacht hat.
Gerade ein solcher einseitiger Lösungsvorschlag würde vom Verbraucher jedoch kaum akzeptiert werden, wodurch es immer noch zu einem Gerichtsverfahren mit weiterem Aufwand und Kosten kommen kann. Da würde es mehr Sinn machen, in den sauren Apfel zu beißen und auf die Ansprüche zu verzichten, oder beispielsweise die Ware im Gewährleistungsfall erneut neu zu verschicken.
Gleichzeitig gibt es von Seiten des Gesetzgebers zwar zukünftig bisher keine Pflicht, aber einen gewissen Druck auf die Unternehmen, eine Schlichtung einer Streitigkeit durch eine Schlichtungsstelle zu akzeptieren. Denn ab voraussichtlich Anfang 2017 soll ein Onlinehändler den Verbraucher bei einem nicht beizulegenden Streit eine für ihn zuständige Schlichtungsstelle nennen und ihm mitteilen, ob er an einem Schlichtungsverfahren durch diese teilnimmt. Wenn der Onlinehändler hier dem Verbraucher mitteilt, dass es die Universalschlichtungsstelle seines Bundeslandes gibt, der Händler sich aber einem Schlichtungsverfahren durch diese verweigert wirkt dies sicherlich etwas befremdlich.
Möglicherweise kann es sich für einen Onlinehändler lohnen, sich bei einem ausländischen Kunden lieber auf eine Schlichtungsstelle als auf ein ausländisches Gericht einzulassen, allerdings ist die Gefahr, vor Gericht zu landen durch die Schlichtung im Normalfall nicht gebannt.
Was ist für den Onlinehändler konkret zu tun?
Jeder Onlinehändler, unabhängig davon, ob er bereits bereit ist oder (aktuell gesetzlich nicht der Fall) verpflichtet ist an einem Schlichtungsverfahren teilzunehmen, oder ob er sich dem verweigert, muss:
–> Ab dem 09.01.2016 einen Link auf die Onlineplattform der EU zur Verbraucherschlichtung setzen, sicherheitshalber in Impressum und AGB.
–> Ab voraussichtlich Anfang 2017 bei einer Streitigkeit mit einem Verbraucher, welche sich nicht im beiderseitigen Einvernehmen lösen lässt, den Verbraucher auf eine Schlichtungsstelle hinweisen und mitteilen, ob der Onlinehändler dazu bereit ist, an einer solchen Schlichtung teilzunehmen.
Nur Onlinehändler, welche zu einem Schlichtungsverfahren verpflichtet sind, oder sich freiwillig zu einer solchen bereit erklären müssen zusätzlich:
–> Ab dem 09.01.2016 auf deren Webseite und in den AGB darauf hinweisen, dass die Onlineplattform der EU genutzt werden kann, um Streitschlichtungen durchzuführen
–> Ab voraussichtlich Anfang 2017 auf Webseite und in den AGB die zuständigen Schlichtungsstelle(n) mit Anschrift und Webseite hinweisen sowie erklären dass er an einer Streitbeilegung durch diese teilnimmt
Onlinehändler, die weder verpflichtet sind, noch bereit sind an einem Schlichtungsverfahren teilzunehmen müssen:
–> Ab voraussichtlich Anfang 2017 auf Webseite und in den AGB darauf hinweisen, dass diese nicht verpflichtet oder bereit sind, an einem Streitschlichtungsverfahren teilzunehmen
Diese Pflicht entfällt, so das Unternehmen zum 31.Dezember des Vorjahres zehn oder weniger Mitarbeiter hatte.