Zum Ende des Jahres 2014, also mitten im Weihnachtsgeschäft, traf den eBay-Shop von notebooksbilliger (NBB) eine der schlimmsten Katastrophen im Online-Handel. Eine Datenpanne führte dazu, dass zahlreiche Artikel (darunter Haushaltsgroßgeräte, Smartphones, Drucker, Monitore usw.) mit einem Kaufpreis von 5,99 Euro ausgewiesen wurden. Das Schnäppchenportal „MyDealz“ berichtete über diesen „extremen Preisfehler“ und veranlasste so zahlreiche Kunden zum Kauf („Die Leute kaufen NBB leer…“). Auch viele britische Amazon-Händler sahen sich Ende des Jahres mit einem ähnlichen Problem konfrontiert. Ihre Waren wurden teilweise für einen Penny angeboten. Für Online-Händler stellt sich in solchen Situationen die Frage, was sie tun können.
Was tun bei fehlerhaften Preisangaben?
Fehler bei der Preisauszeichnung können schnell existenzbedrohende Ausmaße annehmen, vor allem dann, wenn der Händler zur Lieferung zu dem falsch ausgewiesenen – zu niedrigen – Preis verpflichtet ist. Aber auch, wenn er um die Lieferung herum kommt, können unzufriedene Kunden schnell zur Konkurrenz wechseln und so Gewinneinbußen verursachen, die die Verkäufer im schlimmsten Fall zur Geschäftsaufgabe zwingen. Das trifft nicht nur die kleinen und mittelständischen Unternehmen hart, sondern auch große Firmen wie NBB. Tritt eine derartige Datenpanne auf, muss der betroffene Unternehmer vor allem eins, schnell reagieren.
Vermeintliches Recht der Käufer
Viele Online-Shopper sind der Meinung, dass durch das Anklicken des „Kaufen-Buttons“ der Händler zur Lieferung der Ware zum angegebenen Preis verpflichtet wird. Diese landläufige Meinung führte auch im Fall von NBB dazu, dass die Kunden auf ihr vermeintliches Recht (auf Warenlieferung) pochten und mit rechtlichen Schritten drohten, falls sich das Unternehmen weigern sollte. Tatsächlich führt die Betätigung des Buttons aber nur in den wenigsten Fällen zum Vertragsschluss.
Wie auch im stationären Handel sind für einen wirksamen Vertrag zwei sog. Willenserklärungen, nämlich Angebot und Annahme, erforderlich. Der Bundesgerichtshof (BGH) hatte diesbezüglich für den Online-Handel entschieden, dass die Darstellung der Artikel auf der Shop-Seite des Händlers noch kein rechtlich bindendes Angebot darstellt, sondern dieses erst durch den Interessenten mit Absendung der Bestellung erfolgt. Der Klick auf den „Kaufen“-Button stellt folglich die erste der zwei notwendigen Willenserklärungen dar. Damit es zum Vertragsschluss kommt, muss der Händler dieses Angebot durch die zweite Willenserklärung annehmen. Tut er das nicht, ist er nicht zur Lieferung der bestellten Artikel verpflichtet.
Annahme des Kaufangebots durch den Händler
Die Annahme des Kaufangebots kann der Verkäufer mittels ausdrücklicher Erklärung gegenüber dem Kunden vornehmen, etwa durch Zusendung einer entsprechenden E-Mail, oder indem er die Ware versendet. Im letztgenannten Fall erfolgt die rechtlich verbindliche Erklärung durch schlüssiges Verhalten, also „konkludent“. Auf der anderen Seite stellt nicht jede E-Mail, die der Händler nach Eingang der Bestellung an den Kunden verschickt, zwingend eine Annahmeerklärung dar.
Bestelleingangsbestätigung vs. Annahmeerklärung
Unternehmer sind gesetzlich verpflichtet, im elektronischen Geschäftsverkehr (also etwa beim Betrieb eines Onlineshops) eine Bestätigung an den Verbraucher zu versenden, dass seine Bestellung eingegangen ist. Zweck dieser Zugangsbestätigung ist es, Mehrfachbestellungen zu vermeiden. Die Zugangsbestätigung ist aber nicht zwangsläufig auch gleich eine Vertragsannahmeerklärung. Will der Händler zunächst lediglich seiner gesetzlichen Informationspflicht nachkommen, um die Bestellung auf Durchführbarkeit (etwa die Lieferbarkeit der angeforderten Artikel) zu prüfen, kann er dem Kunden die Zugangsbestätigung ohne weitere Erklärungen zukommen lassen. Im Anschluss versendet er dann eine weitere E-Mail, mit der er das Angebot annimmt oder ablehnt. Der Einfachheit halber kann beides aber auch mit nur einer Mitteilung erfolgen.
Vorsicht bei der Formulierung der unverbindlichen Zugangsbestätigung
Shop-Betreiber, die erst „unverbindlich“ den Eingang der Bestellung bestätigen wollen, müssen bei der Formulierung der (automatisch versandten) E-Mail besonders sorgfältig sein. Wird in der „Zugangsbestätigung“ beispielsweise die Bankverbindung für die spätere Kaufpreiszahlung mitgeteilt, gehen Gerichte davon aus, dass sich der Händler durch eine derartige Erklärung bereits vertraglich binden will und stufen sie als Vertragsannahme ein. Selbst dann, wenn das vom Verkäufer nicht gewollt war. Bei der Entscheidung, ob es sich um eine Zugangsbestätigung oder eine Annahmeerklärung handelt, ist allein der objektive Sinn der Erklärung maßgeblich, nicht die damit verbundene Absicht des Erklärenden. Bei der Wortwahl ist deshalb Vorsicht geboten.
Vertragsschluss auch bei automatisch versendeter Annahmeerklärung
Wird die Annahmeerklärung automatisch nach Eingang der Bestellung per E-Mail versendet, ohne dass der Händler sie vorher inhaltlich auf ihre Durchführbarkeit und Richtigkeit überprüft hat, besteht die Gefahr, dass Preisfehler nicht erkannt werden und sich der Unternehmer rechtlich bindet, obwohl er gar nicht liefern kann oder will. Denn auch eine ungeprüfte Annahmeerklärung führt zum Vertragsschluss. Der Händler kann sich nicht darauf berufen, dass er sie vorher nicht kontrolliert hat.
Vertragsschluss bei Verkäufen über eBay
Bei Angeboten auf eBay hingegen gibt der Verkäufer sowohl in der Auktionsvariante als auch beim Einstellen als „Sofortkauf“ ein rechtlich bindendes Angebot ab, das der Käufer seinerseits annimmt. Der Vertrag kommt in diesem Fall also durch die Erklärung des Kunden zustande. Entweder weil dieser das höchste Gebot abgibt oder den „Sofort kaufen“-Button angeklickt.
Keine Pflicht zur Lieferung trotz Vertragsschluss
Wurde ein Vertrag wirksam geschlossen, kann sich der Verkäufer nur unter besonderen Umständen von seiner vertraglichen Lieferpflicht lösen. In Betracht kommt zum einen die Unwirksamkeit des Kaufvertrages wegen Sittenwidrigkeit, weil der Kunde den Preisfehler erkannt und missbräuchlich für sich ausgenutzt hat. Diese Konstellation dürfte aber nur in den seltensten Fällen vorliegen. Wahrscheinlicher ist die zweite Möglichkeit, den Vertrag durch Anfechtung rückwirkend zu vernichten.
Voraussetzungen einer Vertragsanfechtung
Für eine wirksame Anfechtung müssen aber einige Voraussetzungen erfüllt sein.
1) Anfechtungsgrund
Zunächst muss ein Anfechtungsgrund vorliegen. In einer weiteren Entscheidung hatte der BGH klargestellt, dass bei einer irrtümlich falschen Kaufpreiskennzeichnung im Onlineshop, die auf einen Übermittlungsfehler zurückzuführen ist, ein bereits zustande gekommener Vertrag wegen Irrtums angefochten werden kann (Urteil vom 26.1.2005, AZ: VIII ZR 79/04). Im zugrundeliegenden Fall hatte der Händler den korrekten Preis bei der Angebotserstellung in das System eingegeben, angezeigt wurde aber sowohl im Webshop als auch in der automatisch generierten und versendeten Annahmeerklärung ein deutlich niedrigerer Betrag. Warum es zu dem Fehler kam, blieb ungeklärt.
2) Anfechtungserklärung
Die Anfechtung muss „unverzüglich“ erklärt werden, also sobald der Shop-Betreiber den Fehler bemerkt hat. Aus dieser Anfechtungserklärung muss hervorgehen, dass er den Kaufvertrag nicht mehr gegen sich gelten lassen will. Das Wort „Anfechtung“ muss nicht verwendet werden. Anzugeben ist aber der Grund, aus dem der Vertrag angefochten wird (z.B. weil aufgrund eines Systemfehlers der Warenpreis falsch ausgewiesen wurde). Die Anfechtungserklärung muss keine bestimmte Form haben und kann daher beispielsweise per E-Mail erfolgen.
Wirkung der Anfechtung
Liegen die Voraussetzungen vor, wird der Vertrag rückwirkend „vernichtet“. Es wird also so getan, als hätte er von Anfang an nicht existiert. Als Ausgleich wird dem Käufer, der auf die Gültigkeit des Vertrages vertraut hat, ein Schadenersatzanspruch gewährt. Der Händler ist selbst dann zum Schadenersatz verpflichtet, wenn ihn kein Verschulden an der Falschauszeichnung trifft, etwa weil diese auf einen unerkannten Systemfehler zurückzuführen ist. Er muss dem Kunden die für den Vertragsschluss aufgewendeten Kosten oder die im Vertrauen auf die Gültigkeit des Vertrages erbrachten Leistungen, sowie die Nachteile ersetzen, die der Käufer dadurch erleidet, dass wegen der Anfechtung ein anderes Geschäft (etwa ein Weiterverkauf) nicht zustande kommt.
Kein Anspruch auf Schadenersatz, wenn der Käufer von der Preispanne wusste
Der Schadenersatzanspruch ist ausgeschlossen, wenn der Käufer den Anfechtungsgrund kannte. Im Fall der NBB-Preispanne gilt das wohl für alle Käufer, die über die „MyDealz“-Seite auf das Angebot aufmerksam geworden ist. Denn dort wurde von einem „extremen Preisfehler“ berichtet. Aber auch Käufer, die in Foren kundgaben „zum Test“ bestellen zu wollen, werden einen Fehler zumindest vermutet haben.
„Offensichtliche“ Preispanne?
Fraglich ist, ob die Käufer schon wegen des teilweise enormen Missverhältnisses zwischen dem angezeigten Kaufpreis und dem eigentlichen Warenwert (das Samsung Galaxy Note 3 für 5,99 €) von einer Falschauszeichnung ausgehen mussten. Die Frage könnte mit dem Argument verneint werden, dass es immer wieder Marketingaktionen mit drastischen Rabatten gibt oder der günstige Preis gerade für Smartphones über entsprechende Nutzungsverträge ausgeglichen wird. Darüber hinaus war die Differenz zwischen Preis und Wert im NBB-Fall nicht bei allen Angeboten derart groß, dass gleich ein Fehler vermutet werden musste. Wo aber liegt die Grenze? Dass der Käufer den Anfechtungsgrund kannte oder hätte kennen müssen, muss im Zweifel der Händler beweisen. Das dürfte vielfach allerdings nur schwer möglich sein.
Zusammenfassung
Kommt es im Webshop zu einer Preispanne, muss der Händler unverzüglich tätig werden. Zuerst muss geprüft werden, ob mit dem „Käufer“ tatsächlich bereits ein Vertrag geschlossen wurde. Ist das nicht der Fall, ist der Verkäufer nicht zur Lieferung verpflichtet. Aus Servicegesichtspunkten sollten die betroffenen Kunden aber zumindest angeschrieben und über das Versehen informiert werden. Ob und welche Strategien zur „Wiedergutmachung“ verfolgt werden, um die Kunden nicht zu verärgern, muss jeder Shop-Betreiber selbst entscheiden.
Liegt ein wirksamer Vertrag bereits vor, etwa, weil der Warenverkauf über eBay erfolgte oder eine (automatische) Annahmeerklärung versendet wurde, bleibt dem Verkäufer nur die Anfechtung. In diesem Fall muss geprüft werden, warum ein falscher Preis angezeigt wurde, ob also ein Anfechtungsgrund vorliegt. Darüber hinaus muss die Anfechtung dem Kunden gegenüber sofort erklärt werden, z.B. durch Zusendung einer entsprechenden E-Mail. Die Erklärung muss klar erkennen lassen, dass und warum der Händler nicht am Vertrag festhalten will.
Vollständig auszuschließen sind derartige Preispannen wohl nicht. Sollte es tatsächlich einmal zu einer solchen kommen, ist eine schnelle und kundenfreundliche Reaktion des betroffenen Unternehmers entscheidend, um nachhaltigen Schaden für den Webshop zu verhindern.