Das Landgericht Berlin hat in einer wichtigen Entscheidung herausgestellt, dass Buchhändler nicht automatisch für alle Urheberrechtsverletzungen haften, die mittels Büchern begangen werden, die sie im Sortiment haben.
Der Fall
Ein Buchhändler wurde verklagt, weil er Bücher verkaufte, die urheberrechtsverletzende Inhalte hatten. Eine Autorin hatte rechtswidrig Teile einer Magisterarbeit in ihrem Buch übernommen. Dieses Buch bot auch der verklagte Händler an.
Der ehemalige Magisterstudent verklagte wegen Verletzung seines Urheberrechts den Buchhändler, weil er das verletzende Werk im Sinne des § 17 Urhebergesetz (UrhG) verbreitet hatte.
Der Händler nahm nach der Abmahnung das Buch sofort aus seinem Verkauf, wehrte sich aber gegen den Verletzungsvorwurf. Das Landgericht gab ihm Recht.
Das Urteil
Das Gericht setzte sich mit der Tätigkeit des Buchhändlers auseinander und bewertete auch den Aspekt, dass der verklagte Buchhändler kein sogenannter „Vollsortimenter“ ist. Ein „Vollsortimenter“ ist ein Buchhändler, über den nicht jedes beliebige Buch bestellt werden kann.
Das führte nach Ansicht des Gerichts auch zu keiner verschärften Haftung als Störer oder gar als Täter, da ein Buchhändler keinen Einfluss auf den Inhalt der verkauften Bücher ausüben kann.
Das Gericht führte dazu aus:
„…Der Beklagte ist hinsichtlich der streitgegenständlichen Urheberrechtsverlet-zung – der Verbreitung des Werks der Klägerin im Sinne des § 17 UrhG – lediglich als Werkzeug des eigenverantwortlich handelnden Verlages tätig geworden. Ein Buchhändler nimmt keinerlei Einfluss auf den Inhalt eines Buches, so dass ihm eine darin enthaltene Urheberrechtsverletzung im Regelfall nicht als Täter zugerechnet werden kann.…“
Auch die Argumentation des Klägers, dass der Händler dem Buch eine eigene Bestellnummer zugewiesen und in einen eigenen, in Rubriken gegliederten Katalog übernommen hat und auch einen eigenen Preis festgelegt hat, ließ das Gericht nicht gelten.
„…Ein Buchhändler, auch wenn er kein Vollsortimenter ist, sondern sich thematisch spezialisiert und nur bestimmte Bücher in sein Angebot übernommen hat, besitzt bei der Vielzahl der angebotenen Bücher in der Regel keine Möglichkeit der Prüfung von Urheberrechtsverletzungen. Anders als für den Verleger bzw. Herausgeber eines Buches ist es für einen Buchhändler praktisch unmöglich und würde eine Überspannung der ihn treffenden Verkehrs- oder Prüfungspflichten darstellen, jedes Buch auch nur zu lesen. Damit fehlt bereits die objektive Verhinderungsmöglichkeit und damit die Tatherrschaft.…“
Ebenso wurde die Störereigenschaft des Beklagten vom Gericht verneint. Als Störer haftet derjenige auf Unterlassung, der – ohne Täter oder Teilnehmer zu sein – in irgendeiner Weise willentlich und adäquat kausal zur Verletzung eines geschützten Gutes. Doch um diese Störerhaftung nicht ausufern zu lassen und damit nicht nahezu jeder Dritte wahllos als Störer in Anspruch genommen werden kann, greift die Störerhaftung nur dann, wenn Prüfungspflichten objektiv verletzt wurden.
Im vorliegenden Fall verneinte das Gericht solche Prüfpflichten:
„…Derartige Prüfungspflichten hat der Beklagte vorliegend nicht verletzt. […] im allgemeinen ist ein Buchhändler ohne Anlass nicht gehalten, erschienene Bücher auf Rechtsverletzungen hin zu überprüfen. Eine solche Prüfungspflicht würde bei der großen Anzahl angebotener Büchern und einer nicht bezifferbaren Anzahl an möglichen Rechtsverletzungen die praktischen Möglichkeiten eines Buchhändlers deutlich überspannen. Eine Prüfungspflicht setzt erst dann ein, wenn greifbare und konkrete Anhaltspunkte entweder dem jeweiligen Buchhändler durch einen Hinweis übermittelt werden oder in der einschlägigen Branchenpresse, deren Verfolgung dem Buchhändler zumutbar ist, veröffentlicht werden. Solche Hinweise wurden infolge der Abmahntätigkeit der Klägerin erst im Januar 2008 in der Branchenpresse bekannt, d.h. zu einem Zeitpunkt, als die Klägerin den Beklagten bereits selbst abgemahnt hatte. Vor diesem Zeitpunkt war der Beklagte auch nicht gehalten, bezogen auf das von ihm angebotene Buch der Autorin … im Internet allgemein nach Hinweisen auf eine mögliche Urheberrechtsverletzung zu fahnden. Der Beklagte war lediglich gehalten die einschlägige Fachpresse zu verfolgen, in der jedoch vor der Abmahnung keine konkreten Hinweise zu finden waren.…“